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Italienischer Größen-Wahn

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Liebe Freunde südlich des Brennero und Gottardo, Landsleute von Luca Toni und Bud Spencer, wir müssen reden. Mein Name ist Claus, io sono 1,95 Meter groß, senza Schuhe; was bei uns tedesci gar nicht so unüblich ist. Und da beginnt das Problem. Cari Tifosi, eines muss man euch lassen: Ihr macht die geilsten Klamotten der Welt, vor allem im Radsportsektor, und weil ich euer Design so sehr liebe, habe ich mir vergangene Woche mal wieder Trikot und Hose von euch bestellt, in XXXL, was schon absurd genug ist: Ich bin nicht Dumbo. In Deutschland benötige ich normalerweise XL bis XXL. Fürs Protokoll: XXXL – das steht für extra-extra-extra-grande. Gefühlt ist das kurz vor Calmund. Aber was soll's, bisher passte mir euer 3XL ganz gut, ich habe darüber geschmunzelt, du Nation der Zukurzgekommen. Jeder macht sich seine Welt, wiedewiedewie sie ihm gefällt. Doch nun dreht ihr endgültig durch, oder? Die neue Garnitur fiel nämlich nochmal kleiner aus, trotz textiler Überüberübergröße habe ic

Meine kleine Tour de Suisse. Nachtrag

Was bleibt von so einer Tour? Hier ein paar meiner Gedanken: Ob Mountainbike oder Rennrad: Eine Tour in den Bergen ist ein unvergessliches Erlebnis und ein Boost fürs Ego, gleichzeitig lehrt sie Demut vor der Größe der Natur. Try it! Rennradfahren bedeutet Freiheit, Leichtigkeit, puristisches Fahren. Was stört da? Genau: Gepäck. Nie wieder fahre ich mit Rucksack! Nicht nur bergauf schlägt das Gewicht brutal zu. Auch bergab hat mich der Rucksack massiv gestört, er macht die Abfahrten unsicherer. Ein Rucksack degradiert jeden Rennradfahrer zum Touristiker. Das nächste Mal werde ich ein Basislager oder eine Tour mit Begleitfahrzeug buchen. Eat, sleep, pedal: Aus diesen drei Zutaten besteht eine Rennradtour, und dazu passen meiner Meinung nach am besten einfache, gut geführte Hotels. Für Wellness oder Sightseeing ist eh keine Zeit. Auch zukünftig werde ich mir Strecken nicht nach prominenten Pässen, sondern nach Landschaften aussuchen . Palmarès (Rennrad-Slang für: Liste de

Meine kleine Tour de Suisse II

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Schweizerhaus am Col du Pillon Pässe sind selten schön. Die Straßen hinauf sind es, die Landschaften und Berge drumherum, die Abfahrten können gar traumhaft sein, aber oben sieht es meist karg aus, manchmal sogar monströs häßlich. So auch auf dem Col du Pillon jenseits von Gstaad. Jeder Meter auf dem Weg zur Passhöhe ist ein Genuss, aber oben erwartet den Durchreisenden ein riesiger Parkplatz und überall Autos, Autos, Autos, dazu eine Giga-Seilbahnstation mit dem Charme eines Altkleidercontainers. Aber an den Rand haben sie die durchaus raumsparende Attrappe eines Schweizer Chalets gestellt. Fürs Foto.  Hübsch, nicht wahr? Das ist die Realität: Blick in die Gegenrichtung, drumherum gibt's noch viel mehr Parkplatzwüste Schnell weiter. Aber zurück zum Anfang des Tages. Der Weg zum Col du Pillon könnte idyllischer kaum sein. Der Radwanderweg Nr. 9 führt lange an einem kleinen Bach entlang und streift kurz Gstaad, ehe er auf die Hauptstraße einmündet. In Gsteig be

Meine kleine Tour de Suisse I

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Eigentlich sollte dieser Trip ganz anders laufen. Und zwar so:  Vom Gotthard zum Genfer See. Start hätte am vergangenen Donnerstag sein, es hätte mit kleinem Gepäck über die Berge gehen sollen, doch das Wetter zog mit feuchter Tinte einen dicken Strich durch die Planung. Schneeregen war angesagt. Und darauf kann ich gut verzichten, mit 25 Millimeter schmalen Semislicks im Schnee herumzurutschen. Der übrigens tatsächlich ab 2.000 Metern fiel. Zum Glück habe ich die Sache gecancelt! Doch muss deswegen gleich die ganze Tour ausfallen? Nein; dazu hatte ich mich zu sehr auf die Schweizer Pässe gefreut. Also kommt nun die Kurzversion. Der nächste Debakel gab's beim Packen. Der Rucksack war zu klein, obwohl ich mich aufs Allernötigste beschränkt hatte. Abgesehen von der kleinen, faltbaren Bluetooth-Tastatur, mit der ich diesen Post schreibe. Und dem Mulititool mit Kettennieter: Was für ein Brikett! Warum in Gottes Namen habe ich den überhaupt nur gekauft? Ich habe noch nie nie n

Pässetour mit der Deutschen Bahn

Es sollte ein Experiment werden. Der Plan: Mit der Bahn nach Andermatt reisen, über diverse hochalpine Pässe bis zum Genfer See strampeln und sich von dort per EC wieder zurück nach Bonn kutschieren lassen. Ein echtes Erlebnis, so dachte ich, und das verbunden mit einem Klima-Footprint in Katzenpfotengröße – voll ökologisch. Radlerherz, was willst du mehr. Die Tour hatte ich rechtzeitig im Juni geplant und deshalb die Zugfahrten als vergleichsweise günstige Sparangebote buchen können. Das allein reicht aber natürlich nicht, denn das Rennrad musste nun mal mit. Und wer ein Fahrrad über die deutschen Landesgrenzen hinaus mitnehmen möchte, der braucht eine internationale Fahrradkarte. Die allerdings kann man nicht online buchen, sondern man muss entweder eine Hotline anrufen mit ungeahnten Folgen oder aber mit den ausgedruckten Tickets unterm Arm zum nächsten Bahnhof pilgern. Da fragte ich mich bereits: Was, wenn dann kein Platz im IC mehr frei ist? Kann ich die gebuchten Supersparan

"Steel is real" – Teil IV

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Vintage Bike Guide – die Welt der Stahlklassiker   10. Die Zukunft In ein paar Jahrzehnten, wenn die Hightechsportler sich auf Plasmarahmen stählen (oder sagt man dann "carbonen"?), die aus nichts anderem als purem Licht bestehen, werden die Traditionalisten mit genau so nostalgisch verklärtem Blick auf unsere modernen Carbonrenner schauen wie wir heute auf die alten Stahlklassiker. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Vorher aber werden bereits andere Räder, die wir heute noch schmählich links liegen lassen, Kultstatus erringen. Wenn die Grenze für Traditionsbikes bei dreißig Jahren liegt, dann sind bald die allerersten Alurenner mit den dicken Rohren dran: Storck, Principia 700, Müsing Izalco, neulich schon habe ich ein paar Männer mittleren Alters wahrhaft ekstatisch um ein knallrotes Cannondale tanzen sehen. „Toll, dieses Flugzeugaluminium“, wird es auf einmal heißen, „sowas Gutes baut heutzutage ja keiner mehr“. Hoffentlich Vergangenheit:

"Steel is real" – Teil III

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Vintage Bike Guide – die Welt der Stahlklassiker 7. Blink blink blink Selbst als das gesamte Peloton schon längst auf Carbon unterwegs war, war deutschmedial das meistverwendete Attribut für alles, was mit dem Rennrad zu tun hatte, „blitzend“. Blitzende Speichen, blitzende Rennmaschinen, blitzende Ketten und Kränze, blitzende Sonne über dem blitzenden Mittelmeer, blitzender Lack, blitzender Chrom, ja sogar blitzende Beine. Weil rasiert. Wer tut so was? Man nennt solche Schreiberlinge auch „Einworthasen“. "Blink blink" - auch am Carbonrad Und doch war es nachvollziehbar. Denn ein gutes Rennrad musste blitzen, dafür wurde geputzt und poliert, was der Lappen hergab! Das gilt auch heute noch für alle Stellen, an denen blankes Metall hervorlugt. Hallo? Selbstverständlich benutze ich zur Fahrradpflege Q-Tipps. Was denn sonst? Chrom war früher weit verbreitet, aber ursprünglich nicht als Design-Element, sondern zum Schutz vor Korrosion. So wurden vor al